Was ist ein Online-Advertorial, wie wird es geschrieben und welche Funktion erfüllt es im Marketing?
Ein praxisnaher Leitfaden für zeitgemäße Markenkommunikation
1. Einleitung: Glaubwürdigkeit als Währung der digitalen Kommunikation
Werbung, wie man sie jahrzehntelang kannte – plakativ, laut, eindeutig –, hat in der heutigen Informationsgesellschaft einen schweren Stand. Die digitale Nutzerlandschaft hat sich verändert: Konsument:innen sind aufgeklärter, kritischer, selektiver. Klassische Werbeformate verlieren an Wirkkraft, Banner werden ausgeblendet, und selbst gut gemeinte Social-Media-Kampagnen scheitern häufig an mangelnder Authentizität. Gleichzeitig wächst das Bedürfnis nach seriöser Information, ehrlicher Kommunikation und echtem Mehrwert.
In diesem Spannungsfeld zwischen werblichem Ziel und redaktionellem Anspruch gewinnt ein hybrides Format zunehmend an Bedeutung: das Online-Advertorial. Doch wie funktioniert diese Form der werbenden Inhaltsvermittlung genau – und wie gelingt es, Aufmerksamkeit zu erzeugen, ohne aufdringlich zu wirken?
2. Begriffsklärung: Was genau ist ein Online-Advertorial?
Der Begriff „Advertorial“ setzt sich aus den Wörtern advertisement (Anzeige) und editorial (redaktioneller Beitrag) zusammen. Es handelt sich um einen Beitrag, der zwar im Stil eines journalistischen Artikels verfasst ist, jedoch eine kommerzielle Intention verfolgt. Im digitalen Kontext spricht man vom Online-Advertorial – einem Textformat, das in Online-Medien wie Newsportalen, Themenblogs oder digitalen Magazinen eingebettet wird und optisch wie ein redaktioneller Beitrag erscheint.
Im Unterschied zur klassischen Werbeanzeige, die vordergründig auf Aufmerksamkeit und unmittelbare Handlung (Klick, Kauf) ausgerichtet ist, zielt das Advertorial auf inhaltliche Tiefe, thematische Relevanz und Vertrauen. Es soll nicht werblich wirken, sondern informativ und beratend sein. Damit unterscheidet sich das Advertorial auch vom Native Advertising, das häufig stärker automatisiert und algorithmisch eingebunden wird und weniger journalistischen Anspruch verfolgt.
Typische Einsatzfelder sind:
• Lifestyle-Portale: Gesundheit, Ernährung, Beauty, Reisen
• Branchenplattformen: Finanzen, Technik, Immobilien
• Unternehmensblogs oder Kooperationsseiten
• Online-Magazine mit redaktioneller Einbindung von Markeninhalten
3. Ziele und Wirkung im Marketingkontext
Das Advertorial ist kein bloßes Content-Tool – es ist ein strategisches Marketinginstrument. Unternehmen verfolgen mit dem Einsatz von Online-Advertorials mehrere kommunikative Ziele gleichzeitig:
• Vertrauensaufbau: Durch den redaktionellen Stil wirkt die Marke glaubwürdiger und näher an den Bedürfnissen der Zielgruppe.
• Imagepflege: Das Advertorial ermöglicht eine differenzierte Positionierung der Marke – als kompetent, lösungsorientiert und relevant.
• Informationsvermittlung: Komplexe Produkte oder Dienstleistungen können erklärend eingebettet werden.
• Conversion-Förderung: Durch einen dezent integrierten Call-to-Action werden Leser:innen zur Handlung bewegt – aber freiwillig, nicht auf Druck.
• SEO-Vorteile: Gut platzierte Advertorials auf thematisch passenden Plattformen stärken die Sichtbarkeit im Netz.
Die Wirkung eines Advertorials entfaltet sich nicht über kurzfristige Reize, sondern über psychologische Mechanismen: Vertrauen durch Inhalt, Aufmerksamkeit durch Relevanz, Sympathie durch Tonalität. Diese Effekte greifen tiefer als klassische Werbeimpulse und schaffen eine nachhaltige Bindung.
4. Aufbau und Struktur eines erfolgreichen Online-Advertorials
Ein gutes Online-Advertorial folgt einer klaren Dramaturgie, die sich an journalistischen Prinzipien orientiert, aber subtil auf ein kommerzielles Ziel hinarbeitet. Die wesentlichen Bestandteile sind:
Überschrift
• Prägnant, informativ, kein Werbejargon
• Beispiel: „Besser leben mit Pflanzenkraft – wie Heilkräuter in den Alltag zurückkehren“
Einstieg
• Emotionaler, narrativer oder situativer Einstieg
• Ziel: Nähe schaffen, Identifikation ermöglichen, Problem skizzieren
Hauptteil
• Wissensvermittlung: Daten, Hintergründe, Anwendungsbeispiele
• Leserführung durch strukturierte Zwischenüberschriften
• Einbettung in gesellschaftlichen oder persönlichen Kontext
Übergang zur Produkt- oder Markenbotschaft
• Fließend und thematisch begründet
• Beispiel: „Ein Unternehmen, das diese Philosophie teilt, ist XY…“
Produkthinweis
• Sachlich, ohne Superlative
• Qualität, Herkunft, Anwendung – immer im Nutzenkontext
Call-to-Action
• Redaktionell eingebettet, z. B.: „Mehr Informationen und konkrete Empfehlungen finden Sie unter…“
Stilistische Besonderheiten
• Kein reiner Werbestil, keine Aufforderungen zum Kauf
• Nähe zum journalistischen Ton: erklärend, beratend, narrativ
• Klare Sprache, einfache Sätze, konkrete Beispiele
• Vermeidung von Fachchinesisch, aber keine inhaltliche Verflachung
Im Gegensatz zur klassischen Werbung steht nicht das Produkt im Zentrum, sondern das Thema. Die Lösung, die Marke oder das Angebot ergibt sich organisch aus der inhaltlichen Erzählung.
5. Tipps zur Texterstellung – was Redakteur:innen beachten sollten
Zielgruppenanalyse
• Wen möchten Sie erreichen? (Alter, Interessen, Informationsbedürfnis)
• In welchem Kontext wird der Text gelesen? (Branchenplattform, Endverbrauchermagazin, Fachportal)
Themenwahl
• Relevanz: Das Thema muss zum Lebensalltag oder zu den Herausforderungen der Zielgruppe passen.
• Aktualität: Zeitgeistthemen funktionieren besonders gut (z. B. Nachhaltigkeit, mentale Gesundheit, New Work).
• Anschlussfähigkeit: Gibt es Studien, Zitate, Erfahrungswerte, an die man anknüpfen kann?
Glaubwürdigkeit herstellen
• Quellen und Expertenmeinungen zitieren
• Reale Erfahrungen einbinden (Testimonials, Fallbeispiele)
• Keine überzogenen Heilsversprechen
Tonalität und Sprache
• Authentisch, dialogisch, informierend
• Respektvoller Ton, keine Überhöhung der Marke
• Auf Augenhöhe mit der Leserschaft kommunizieren
Ein gelungener Advertorial-Text schafft den Eindruck: „Dieser Beitrag informiert mich, nicht manipuliert mich.“
6. Risiken und Herausforderungen
Trotz aller Stärken birgt das Format auch Fallstricke – vor allem dann, wenn es falsch eingesetzt wird.
Intransparenz
Advertorials müssen klar als Anzeige oder bezahlter Inhalt gekennzeichnet sein. Ansonsten besteht rechtlich und ethisch die Gefahr der Schleichwerbung – was nicht nur das Vertrauen der Leser:innen, sondern auch die Reputation des Unternehmens massiv beschädigen kann.
Spannungsfeld zwischen Redaktion und Werbung
Die Herausforderung liegt darin, den redaktionellen Anspruch zu wahren und gleichzeitig ein klares kommerzielles Ziel zu verfolgen. Zu viel Werbung schwächt die Glaubwürdigkeit, zu wenig Produktbezug verwässert die Marketingwirkung.
Geduld statt Verkaufsdruck
Advertorials sind ein Langzeitinstrument. Sie bauen Vertrauen auf – kein klassisches Performance-Format. Unternehmen, die schnelle Sales erwarten, unterschätzen das Prinzip des Content-Marketings.
7. Fazit: Ein Zukunftsformat für glaubwürdige Markenkommunikation
Online-Advertorials sind mehr als ein Mittel gegen Werbeblindheit – sie sind Ausdruck einer neuen Kommunikationskultur, die auf Relevanz, Tiefe und Beziehung setzt. In einer Welt, in der Informationen jederzeit verfügbar sind, ist nicht Lautstärke gefragt, sondern Vertrauenswürdigkeit.
Wer es versteht, Themen kompetent aufzubereiten, echten Mehrwert zu bieten und die eigene Marke dezent zu integrieren, kann mit Advertorials eine starke und nachhaltige Verbindung zur Zielgruppe aufbauen. Gerade im Zeitalter von Content-Flut und Reizüberflutung werden solche Formate künftig eine zentrale Rolle spielen – als Brücke zwischen Information und Inspiration, zwischen Marke und Mensch.